Zurück in die Stadt von morgen
(city of tomorrow – revisited)
ein Film von Michaela Schweiger 2005

Textliste deutsch

 


Bild 2 Innen im U-Bahnhof tags


Stimme aus dem off:
“Die Geschichte ist einfach. Ich bin auf dem Weg in das Viertel, das für die Zukunft geplant war”

Die Stimme des Mannes, während seine Beine aus dem Bild getragen werden:
„Eigentlich wurde das Viertel für meine Generation gebaut, die damals ja noch nicht geboren war.“

 

 

Bild 13 Aussen auf dem großen Platz vor der Bibliothek tags


Gedankenstimme der älteren Dame:
„Heute hab ich an die Zeit des Aufbaus hier gedacht . Wir hatten alle einen gepackten Koffer und kein Mensch wäre auf die Idee gekommen einen Kredit aufzunehmen
Dieses Trümmerfeld aus dem wir kamen und dann diese Vorstellung: du investierst in die Zukunft, das ist uns gar nicht gekommen.“

 

 

Bild 17 Aussen hinter dem Haus der Kulturen der Welt tags


Gedankenstimme des Mannes im Trenchcoat:
„1957 wurde hier gebaut. 1957. Da gab es eine grosse Hoffnung wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen zu werden und ich machte Fortschritte bei Elisabeth.“

 

 

Bild 19 Aussen vor der Tür des Cafes tags


Der Architekt mit der Hornbrille
„Wir müssen unsere Ideen unter die Leute bringen.“

Der Mann im Trenchcoat lächelt ein bisschen spöttisch:
„Dort stehen sie seit 50 Jahren.“

Von drinnen ruft jemand:
„Die Tür“

 

Bild 20 Innen im Cafe tags


Die rothaarige Frau:
„Also das Wohngebiet hier ist schon ein bisschen wie eine Insel. Man muss sich das vorstellen wie das ist, wenn täglich Gruppen von Leuten hier durchgeschleust werden. Man fühlt sich schon als etwas Besonderes, wenn einen hunderte von Augenpaaren anschauen.“

Gedankenstimme des älterer Herrn:
„ Also, ich weiß nicht, es ist unglaublich was die Leute, die hier wohnen, an ästhetischen Problemen ertragen."

Gedankenstimme der älteren Frau:
„Klaus, du musst sagen... "

Gedankenstimme ältere Herr:
„In manchem Teilen des Hauses liegt noch das orginale Linoleum, das muss man sich mal vorstellen.“

Gedankenstimme des jungen Mannes:
„Also, die Anderen schicken alle erstmal einen Bautrupp durch wenn sie hier einziehen. Und dann legen sie Parkett, weil sie das Linoleum irgendwie nicht mögen.“

Gedankenstimme der jungen Frau:
„Hier ist noch das orginale Linoleum, das ist doch klasse. Ich versteh den Aufstand wegen so ein bißchen Belag nicht. Ich hab jetzt angefangen den abzukratzen.“

Gedankenstimmen des älteren Mannes:
„Wir haben das alles herrichten lassen, auch den Aufzug, auf eigene Rechnung. Das hab ich machen lassen, weil ich es nicht ertrage. Da krieg ich Herpes wenn ich sehe, dass da Löcher im Fußboden sind. Kann ich nicht.“

Gedankenstimme der älteren Frau:
„Ich kann mir das schon vorstellen, wenn hier Besuch ins Haus kommt. Der geht ja rückwärts raus, wenn der so einen Flur sieht, wo das Linoleum zerschlissen ist.“

Gedankenstimme des jüngeren Mannes:
“Und unsere Kippfenster. Alles noch original. So wurden damals Volvos gebaut. Also das ist wirklich der Volvo unter den Kippfenstern.“

Der Mann im Trenchcoat:
"Die Tür!"

Gedankenstimme älterer Mann:
„Ich hab den offenen Wohnbereich später zugebaut, weil es sich mit den Kindern als viel praktischer erwiesen hat, wenn man mal die Tür zumachen kann.“

Gedankenstimme junge Frau:
„Man hat hier zwar die tolle Moderne, aber man hat halt das falsche Umfeld“

Gedankenstimme der eleganten Frau
„Und durch die neue Nachbarschaft, dem Bundespräsident zum Beispiel, ist es ja so, dass schon mal ein Panzer auf dem Parkplatz der Akademie parkt, wenn die politische Lage mal schief hängt.“

Der Mann im Trenchcoat:
„Fühlen Sie sich dann bedroht?“

Die elegante Frau::
„Nein, ich fühl mich eigentlich nicht bedroht, eher beschützt. Obwohl ich weiß, dass wir im Zweifelsfall mit hops gehen.“

Die streitende Frau:
„Seit 25 Jahren hab ich Dir gesagt, daß ich das nicht akzeptieren werde.“

Der Mann mit ruhiger Stimme:
„Und ich hab Dir immer zugestimmt...“

Die Frau mit fast überschnappender, tränenerstickter Stimme
„Das ist es ja, wie Du damit umgehst, diese Feigheit.“

Der Mann resigniert:
"Und was machen wir jetzt?"

Die Frau wütend:
"Mich fragst Du das, mich?"

Der Mann steht auf, zieht sich an:
„Dich? Dich frag ich überhaupt nichts mehr. Nichts!"

Der Mann rennt raus, an dem Mann mit dem Trenchcoat vorbei. Dabei lässt er die Tür offen.

Der Mann mit dem Trenchcoat ruft:
„Die Tür...“

Noch während er das sagt rennt die streitende Frau an ihm vorbei, aus der offenen Tür heraus.

Wieder ruft der Mann im Trenchcoat:
„Die Tür“

Gedankenstimme rothaarige Frau:
„Sie wollten damals zwar eine Gemeinschaft planen und dachten: ein Einkaufszentrum, ein Kindergarten, eine Schule, eine Bibliothek und eine Kirche, das macht die Stadt. Aber sie kannten damals das Feng Shui noch nicht.“

Der ältere Mann (ein bisschen unwirsch):
“Städtebaulich würde das kein Mensch mehr so machen, was sich der Scharoun da so gedacht hat - mit seiner Stadtlandschaft.“

Die ältere Frau:
„Klaus, Du musst sagen, dass hier alles ein Ruinenfeld war.“

Die Beiden bleiben kurz stehen

Die ältere Frau:
„Sowieso gibt es dafür viel zu wenig Platz.“

Die beiden gehen langsam weiter und drehen in die gleiche Richtung zur Tür hin ab.

Der ältere Mann:
“Ja, dafür gibt es viel zu wenig Platz. Aber was visionär war, das war die ...“
„...Grundrissgestaltung. Das hat es vorher nicht gegeben. Und dann haben sie die Möglichkeiten, die darin liegen, auch mal richtig aufgezeigt.“

 

 

Bild 22 Aussen vor dem Hochhäusern von Pierre Vago tags


Die elegante Frau geht den Leuten entgegen und beginnt mit anheimelnder, werbender Stimme, der Begeisterung anzumerken ist, zu sprechen.

„Eine Wohnung ist für eine vierköpfige Familie eingerichtet. Der Vater ist Formgestalter, die Mutter ist Journalistin, die 20jährige Tochter Photographin und der 18 jährige Sohn Schüler an einer Kunstgewerbeschule. Jedes Familienmitglied will auch zu Hause die Möglichkeit haben, ungestört seiner Arbeit nachgehen und den Umgang mit Kollegen pflegen zu können. Dies wurde berücksichtigt,
indem die Wohnung mit einem eigenen kombinierten Schlaf- und Arbeitszimmer für jeden eingerichtet wurde, das den persönlichen
Bedürfnissen entspricht.“

„Eine andere Wohnung ist für eine dreiköpfige Familie eingerichtet. Der Vater ist Kaufmann. Die Familie empfängt oft Freunde zu Hause. Der Sohn ist noch schulpflichtig. Bei der Einrichtung der Wohnung wurde auf die Repräsentationspflichten des Ehepaars Rücksicht genommen. Durch eine Schiebewand zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer der Eltern ist eine Vergrößerung der Wohnfläche ermöglicht worden.“

„Eine dritte Wohnung ist für einen Geschäftsmann und seine Ehefrau eingerichtet. Das Ehepaar hat keine Kinder und kann die Wohnfläche in freier und offener Raumgestaltung ausnutzen. Die
Wohnung ist somit für geselliges Leben und die Entfaltung der persönlichen Interessen gut geeignet.“

Eine jüngere Männerstimme:
„Das ist unglaublich.“

 

 

Bild 24 Innen im Vorplatz der U-Bahn tags


Geschäftsmann1:
„Soziale Herkunft, Machtmissbrauch, kulturelle Prägung, alles Unsinn, sag ich Dir. Es sind die Gene, sie sind unser Schicksal.“

 

 

Bild 25 Aussen im Innenhof des Einkaufszentrums tags


Die Stimmen entfernen sich ganz langsam, bleiben jedoch zu jeder Zeit verständlich.

Geschäftsmann 1
„Geh mir weg mit dem starken Staat. Der war doch Vater und Mutter in Einem.“

Geschäftsmann 1
„Einerseits hat er Dich überwacht und Dich gleichzeitig in einer Art Zustand ewiger Kindheit gehalten. Da gab es keinen Eigensinn, und drüben war es noch schlimmer.“
„Jetzt wird’s lebendig. Alle werden Macher, Beweger, Rüttler, ob se nu Kartoffeln sortieren oder Software schreiben. So ein Unternehmer, ein richtiger, ein kreativer, der löst die Probleme der Welt schneller als sie aufgetreten sind. Der sieht in jedem Dreckklumpen den zukünftigen Garten.“

Geschäftsmann 2
„Und da ist Vielfalt drin!“

 

 

Bild 28 Innen   tags


Eine Frau geht in die Einbauküche, schmeißt die Fertigpizza in den Kühlschrank, dreht sich um, steht an der Küchentür, lehnt sich an, reckt den Kopf und brüllt:

„Mach die verdammte Buschmusik leiser! Wie oft soll ich das noch sagen?“

 

 

Bild 28 Innen im Gang des Hauses Niemeyer tags


Die rothaarige Frau im Hosenanzug geht an einer Haustür vorbei.
Aus den Wohnungstüren dringen gedämpfte Stimmen, manchmal wie ein Murmeln.

Die rothaarige Frau bleibt vor einer Wohnungstür stehen, schaut auf die Uhr

ältere Männerstimme:
„Diese Vorstellung Single zu sein ist in einem bestimmten Alter ja das Optimale. Die können sich das anscheinend nicht vorstellen, wie das Leben jenseits dieser aktiven Lebenszeit ist.“

Eine energische, ältere Frauenstimme:
„Na, Gott sei Dank nicht.“ ( Sie lacht)

die Männerstimme:
„Gut - also ich bin 50 Jahre lang verheiratet.“

Die Frauenstimme:
„Ja Kläusel, Du. Also jetzt..“

Ältere Männerstimme:
„Also heute braucht eigentlich keiner einen - nicht ?“

Die grauhaarige Frau scheint vergeblich gewartet zu haben und geht weiter

Ältere Männerstimme:
„Also, ich hab unlängst was über einen Viertel im Fernsehen gesehen – da wurden ein paar Strassenabschnitte gezeigt, wo nochlauter Läden sind....“

Ältere Frauenstimme:
„Da funktioniert so was noch.“

Eine jüngere Frauenstimme:
„Wo wir vorher gewohnt haben, da gab es ein richtiges Kollektiv.“

Die Männerstimme:
„und die Läden in dem kleinen Einkaufszentrum hier, die geben auf. und was dann rein kommt...“

Jüngere Männerstimme:
„Da wo ich vorher gewohnt hab, haben die Leute auch viel mehr auf die Strasse gestellt.“

Die Frau bleibt kurz stehen und fragt interessiert:
„Was stellen die Leute denn auf die Strasse? “

Sie geht weiter.

Eine jüngere Männerstimme:
“Na, Möbel."

Eine jüngere Frauenstimme:
„Wir haben auch alles auf die Strasse gestellt.“

Eine jüngere Männerstimme:
„Die Strasse war der große Umschlagplatz.“

Eine jüngere Frauenstimme:
„Und die ganzen Gemeinschaftsflächen, die hier ja geplant waren?“

Eine ältere Frauenstimme:
„Gemeinschaftsflächen?“

Eine ältere Männerstimme:
„Ja, bei Niemeyer drüben ist das doch geplant worden“

Eine ältere Männerstimme:
„Die sind überhaupt nicht angenommen worden.“

Eine ältere Frauenstimme:
„Jeder hatte seine Familie und auch sonst genug, da brauchte man nicht noch eine Gemeinschaft.“

Eine ältere Männerstimme:
„Hier trifft sich niemand, es sei denn er hat Freundschaften, sonst trifft sich niemand.“

Eine jüngere Frauenstimme:
“Das funktioniert überhaupt, aber in Brasilien, da hat er ja ein ähnliches Haus gebaut und das funktioniert wunderbar.“

 


Bild 32 Außen Außen vor dem Haus Niemeyer tags


Die rothaarige Frau:
„Also was ich in Amerika gelernt habe, das ist Netzwerken, also Communitybuilding. JFK, also John F. Kennedy hat mal gesagt:
Frage nicht was der Staat für Dich tun kann, sondern Frage, was Du für den Staat tun kannst.“

 

 

Bild 33 Außen ein Balkon tags


Eine junge Frau singt:
„I like to be in Amerika.“

 

 

Bild 34 Innen im Vorplatz des U-Bahnhofes tags


Der Spielzeugverkäufer lässt seine Fernbedienung sinken und singt gemeinsam mit dem Geschäftsmann:

"okay by me in America"

 

 

Bild 35 Außen vor dem Cafe tags


Das ältere Ehepaar vor dem Cafe singt:

"Everything is free in America"

 



Bild 36 Außen   tags


Das Wohnviertel ist von oben zu sehen. Überall treten die Leute aus ihren Häusern oder bleiben stehen und singen gemeinsam im Chor:

"for a small fee in America"

 



Bild 38 Innen vor dem Fenster tags


Der Architekt sagt, energisch und unwillig:

„Es reicht.“